Neuerungen im Erbrecht per 1. Januar 2023
November 2022

Ist eine Anpassung Ihres bestehenden Testaments oder Erbvertrags notwendig?

Das aktuelle Erbrecht wird den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr gerecht, was den Gesetzgeber zu einer Revision des Erbrechts veranlasst hat. Am 1. Januar 2023 tritt das neue Erbrecht in Kraft, wobei auf eine Übergangsfrist verzichtet wurde. Es gilt ausnahmslos für alle Nachlässe der nach dem 31. Dezember 2022 verstorbenen Erblasser, unabhängig vom Datum des Testaments bzw. Erbvertrages.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

  • Reduktion der Pflichtteile
  • Erhöhte Erbquote bei erbrechtlicher Meistbegünstigung des Ehegatten
  • (faktisches) Schenkungsverbot bei Erbverträgen
  • Rechtslage beim Tod während eines Scheidungsverfahrens

 

Reduktion der Pflichtteile

Beim Pflichtteil handelt es sich um denjenigen Teil des gesetzlichen Erbteils, über den der Erblasser nicht frei verfügen darf. Der Gesetzgeber sah diese Mindestbeteiligung am Nachlass zum Schutz von bestimmten Angehörigen vor.

Mit dem revidierten Erbrecht wird der Pflichtteil der Nachkommen von derzeit ¾ auf neu ½ des gesetzlichen Erbteils reduziert, während der Pflichtteil der Eltern des Erblassers ganz abgeschafft wird. Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten bleibt hingegen unverändert (½). Durch die Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen und Eltern gewinnt der Erblasser neu eine erhöhte Verfügungsmacht über seinen Nachlass und hat damit mehr Handlungsspielraum in seiner Nachlassplanung.

Erhöhte Erbquote bei erbrechtlicher Meistbegünstigung des Ehegatten

Mit der Reduktion der Pflichtteile einhergehend wird auch die verfügbare Quote bei der Begünstigung des überlebenden Ehegatten durch Nutzniessung angepasst. Nach geltendem Recht kann der Erblasser dem überlebenden Ehegatten die Nutzniessung am ganzen, den gemeinsamen Kindern zufallenden Teil der Erbschaft zuwenden. Die Nutzniessung tritt gemäss gesetzlicher Regelung an die Stelle des dem Ehegatten neben diesen Nachkommen zustehenden gesetzlichen Erbrechts (vgl. Art. 473 Abs. 2 ZGB). Unter der aktuellen Regelung kann der Erblasser aufgrund der höheren Pflichtteilsquote der Nachkommen dem überlebenden Ehegatten maximal ¼ des Nachlasses zu Eigentum zuwenden. Mit der Revision wird die verfügbare Quote auf die Hälfte erhöht.

Handlungsbedarf:

Stellt ein bestehendes Testament oder ein Erbvertrag die Nachkommen oder Eltern des Erblassers (ggf. unter Angabe der bisherigen Quoten) auf den Pflichtteil, kann es zum Auslegungsproblem kommen, ob der Erblasser auch nach Inkrafttreten des neuen Rechts an den alten Quoten festhalten oder die neuen Regelungen anwenden will. Durch eine explizite Klarstellung anhand einer Ergänzung der Verfügung von Todes wegen kann dieses Auslegungsproblem gemieden werden.

(Faktisches) Schenkungsverbot bei Erbverträgen

Eine weitere, besonders wichtige Änderung des Erbrechts betrifft bestehende und künftig abgeschlossene Erbverträge. So war der Erblasser bisher auch nach Abschluss eines Erbvertrags grundsätzlich frei, zu seinen Lebzeiten über sein Vermögen mittels Schenkungen zu verfügen. Nach dem neuen Erbrecht darf der Erblasser nach Abschluss eines Erbvertrags grundsätzlich keine Schenkungen zu Lebzeiten mehr vornehmen, wenn er keinen Vorbehalt anbringt. Eine aus dem abgeschlossenen Erbvertrag begünstigte Person kann nämlich neu alle über Gelegenheitsgeschenke hinausgehenden lebzeitigen Zuwendungen an jede beliebige Person anfechten, wenn dadurch

- die erbvertragliche Begünstigung geschmälert und
- die lebzeitigen Zuwendungen im Erbvertrag nicht vorbehalten wurden

Handlungsbedarf:

Die neue gesetzliche Regelung führt zu einem faktischen Schenkungsverbot. Um dies zu vermeiden, sollten die Vertragsparteien als Ergänzung eines bestehenden Erbvertrages oder bei Abschluss eines neuen Erbvertrags den Schenkungsvorbehalt anbringen, um den bisherigen Handlungsspielraum hinsichtlich Schenkungen zu Lebzeiten nach Abschluss des Erbvertrages beizubehalten. Es ist klar festzuhalten, welche lebzeitigen Schenkungen auf den Tod hin trotz Erbvertrag zulässig sein sollen. Ausserdem empfiehlt sich, mangels gesetzlicher Regelung, festzuhalten, welche Zuwendungen als Gelegenheitsgeschenke anerkannt werden.

Rechtslage bei Tod während eines Scheidungsverfahrens

Nach geltendem Recht erhält ein Ehegatte beim Tod des anderen mindestens den Pflichtteil, auch wenn ein Scheidungsverfahren im Gang ist. Dieser Anspruch besteht unter aktuell geltendem Recht bis zum rechtskräftigen Scheidungsurteil.

Nach neuem Recht gilt fortan folgendes: stirbt der Erblasser während eines Scheidungsverfahrens, verliert der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch, wenn (a) das Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder (b) das Scheidungsverfahren einseitig nach mindestens zwei Jahren Trennung durch einen Ehegatten eingeleitet wurde. Besteht keine entsprechende Nachlassregelung des Erblassers, behält der überlebende Ehegatte nach wie vor seinen gesetzlichen Erbanspruch, bis ein rechtskräftiges Scheidungsurteil vorliegt.

Handlungsbedarf:

Ohne explizite Nachlassregelung in einer Verfügung von Todes wegen, gilt das gesetzliche Erbrecht wie bis anhin auch während eines laufenden Scheidungsverfahrens bis zu einem Urteilsspruch. Soll der überlebende Ehegatte nichts erhalten, ist eine letztwillige Verfügung notwendig, mit der auch der Erbteil entzogen wird.

Keine Neuerungen in Sachen Konkubinat

Auch nach Inkrafttreten der Erbrechtsrevision per 1. Januar 2023 steht Lebenspartnern im Konkubinat weder ein gesetzliches Erbrecht noch ein Pflichtteilsanspruch zu. Diese Begünstigungen müssen nach wie vor mittels einer Verfügung von Todes wegen erfolgen. Aufgrund der nach neuem Recht erhöhten Verfügungsmacht des Erblassers hat dieser jedoch die Möglichkeit, den unverheirateten Lebenspartner durch Verfügung von Todes wegen grosszügiger als wie bisher zu begünstigten.

 

Autorin

Diana Krasnic
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